Vor 81 Jahren zeigten die Nazis ihr wahres Gesicht und richteten in der Kristallnacht ein Pogrom unter den Juden in Deutschland an. Viele Synagogen wurden zerstört, zahlreiche jüdische Familien vertrieben und in Konzentrationslager verschleppt und getötet. Dieses schreckliche Ereignis und der folgende 2. Weltkrieg veranlassten den englischen Komponisten Michael Tippett, ein Oratorium zu schreiben als Mahnung und Appell für Freiheit, Menschlichkeit, Toleranz und gegen Gewalt.
Die grandiose Musik des Oratoriums ‚A Child of Our Time‘ mit Anlehnung an die Moderne war für die Zuhörer in der ausverkauften Abtei Königsmünster in Meschede ein tiefgreifendes Erlebnis mit nachhaltiger emotionaler Wirkung. Dazu trug vor allem die Mitwirkung des Arnsberger TEATRON THEATERS bei, das in szenischer Darstellung und Texten die geschichtliche Entwicklung der Nazidiktatur in hervorragender Weise verdeutlichte. Parallelen zu heute mit der Situation der Asylsuchenden wurden bewusst mit aufgenommen.
In der Apsis der Abteikirche hatten sich Sängerinnen und Sänger des großen Projektchores des Ev. Kirchenkreises und des Arnsberger Oratorienchores aufgestellt. Sehr professionell trugen sie die teils schwierigen Chorpassagen vor, sicher, kraftvoll und beeindruckend. Die musikalische und spieltechnische Qualität des Philharmonischen Orchesters Hagen überzeugte gleichermaßen. Der wuchtige Klang von Chor und Orchester wirkte in dem riesigen Kirchenraum äußerst imposant, ein Hörerlebnis, das unter die Haut ging.
Die musikalische Leitung hatte der Arnsberger Kirchenmusikdirektors Gerd Weimar. Mit sicherer Hand und sichtbar engagiert führte er durch das Konzert. Monatelange Proben waren offensichtlich Garant für das Gelingen eines großartigen Konzertes.
Zunächst erklang Musik von Gustav Holst ‚Lyric Movement‘ für Solo-Bratsche und Orchester mit ruhigen unkonventionellen Klängen, hervorragend interpretiert vom Bratschisten Bijan Fattahy.
Das dreiteilige Oratorium von M. Tippett ähnelt in seiner Form den Passionen von Bach mit Chören und Arien. Es erzählt anonymisiert die Geschichte von einem ‚Kind unserer Zeit‘. Der konkrete Bezug zu den damaligen schrecklichen Ereignissen der Nazizeit ist jedoch nicht zu übersehen. Der Komponist hat zusätzlich Musik der gepeinigten Sklaven in Amerika voriger Jahrhunderte eingebunden mit musikalisch sehr anspruchsvoll bearbeiteten Spirituals.
Als Vokalsolisten sangen Natasha Goldberg, ein wunderbar weicher Sopran, die Altistin Bettina Pieck, Holger Marks, Tenor und Dominic Große Bass. Alle Solisten überzeugten in ihrem musikalischen Vortrag.
Die Musik von Tippett war für die meisten Zuhörer sicher neu und ungewohnt, trotzdem interessant und sehr beeindruckend. Das Publikum nahm die Musik mit tiefer Empfindung und großer Begeisterung auf. Herzlicher und lang anhaltender Beifall war Dank für das ungewöhnliche Konzert, an das man sich noch lange erinnern wird.
Josef Weiser